Ein Radfahrer ist unterwegs. Er fährt durch leere Straßen. Wie bei uns allen wird sein Leben durch Corona bestimmt. Vielleicht ist er genervt oder müde vom Lockdown und von immer neuen Regeln. Ob er wohl diesen kleinen Tisch mit Tulpen auf dem Bürgersteig sieht? Ein Blumenladen vielleicht, oder einfach ein Frühlingsgruß vom Nachbarn? Wer weiß. Jedenfalls ein Hoffnungszeichen, der diesen Augenblick verändern könnte.
Am Sonntag denken wir in ganz Deutschland an die Menschen, die in unserem Land an Corona gestorben sind.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lädt dazu ein, uns an die vielen Toten zu erinnern. Die weltweit fast 3 Millionen Toten der Pandemie und die 80.000 Toten in Deutschland haben alle einen Namen, ein Gesicht, eine Geschichte. Sie waren liebevolle Eltern oder Großeltern, langjährige Arbeitskolleg*innen, vertraute Nachbarn. Auch einige unserer Schüler*innen, Lehrer*innen oder Mitarbeiter*innen haben liebe Menschen aus ihrem Leben verabschieden müssen.
Die Erinnerung an die Verstorbenen kann uns verunsichern. Wir sorgen uns vielleicht um eigene Großeltern oder um Menschen in unserer Familie mit Krankheiten. Auch die eigene Verletzlichkeit wird plötzlich spürbarer.
Eine alte Geschichte mag helfen damit gut umzugehen. Sie erzählt von zwei Freunden, die unterwegs sind. Sie laufen weg von Jerusalem, wo sie miterleben mussten, dass ihr Vorbild Jesus gestorben ist. Sie haben Angst davor, sich an diesen schlimmen Tod zu erinnern, deshalb suchen sie das Weite. Und doch können sie von nichts anderem reden als von Jesu Kreuzigung. Da kommt ein Fremder dazu und geht mit. Es ist der auferstandene Jesus, den sie aber nicht erkennen. Er fragt sie, was los ist. Sie antworten ihm: „Du bist wohl der Einzige in Jerusalem, der nicht weiß, was dort passiert ist.“ Und dann fangen sie an zu erzählen, wer Jesus für sie war und welche Hoffnungen sie mit ihm verbunden hatten. Und im Gespräch verwandelt sich ihre Enttäuschung in neuen Lebensmut. Am Ende gehen ihnen die Augen auf, denn sie spüren, dass der auferstandene Jesus bei ihnen ist. Und er sorgt für sie, indem er mit ihnen das Brot teilt und darin seine Liebe schenkt.
Wir haben gelernt, Abstand zu halten, um uns gegenseitig zu schützen. Und wir haben uns an viele Enttäuschungen gewöhnt, weil so vieles Schöne und Gute nicht möglich ist. Ja, und wir machen auch manchmal die Augen zu vor dem Leid und den Gefahren der Pandemie. Wir dürfen aber nicht verlernen, füreinander da zu sein. Wir brauchen jeden Tag die Ermutigung, dass das Leben größer ist als unsere Erwartungen. Wir sehnen uns nach der Stärkung, dass Gott es gut mit uns meint.
Ich wünsche uns allen, dass wir wie der Radfahrer auf dem Bild doch noch den Blumenstrauß entdecken, der diesen Moment des Lebens verändern kann. Für jede und jede von uns kann das anders aussehen. Vielleicht, indem wir jemand suchen, um gemeinsam über unsere Ängste und Hoffnungen zu sprechen und einander zuzuhören. Oder, indem wir den ökumenischen Gottesdienst aus Berlin ansehen, der am Sonntag, den 18.4. um 10.15 Uhr in der ARD übertragen wird.
Wir hoffen, dass ihr gesund bleibt und einen langen Atem für die kommende Zeit behaltet.
Herzliche Grüße von Michael Kruse und Rudi Hürtgen